Wanderhündin Tessa – ein ganzes halbes Jahr
Wer mir auf Instagram & YouTube folgt weiß es schon eine ganze Zeit lang, für den Blog schien mir eine “einfache” Vorstellung mal wieder nicht genug. Ich hatte eine große “Tierheim-Story” im Kopf, euch detailliert erzählen wie so was abläuft, der Einzug, die Zeit als Bürohund, die Eingewöhnung als Wanderhund,… alles so aufbereitet dass ihr was davon mitnehmen könnt.
Aber weil das alles für uns total unkompliziert war, dachte ich immer wieder “das bringt dann ja niemandem einen Mehrwert”. Wieder totaler Blödsinn. Und wenn doch, na dann schreib ich das hier jetzt nur für mich und freue mich, wenn ich in ein paar Jahren darauf zurückblicken kann. Und keine Angst, das ist die letzte Einleitung dieser Art, in Zukunft komme ich immer gleich zur Geschichte ohne zu jammern. ;-)
1. Die Sache mit dem Hund…
Ich weiß gar nicht so genau, ob ich immer schon einen Hund wollte. Ich glaube eigentlich war ich kein Kind dass sich immer ein Haustier gewünscht hat, vor allem keins mit dem man mehrmals am Tag rausgehen muss. Ich hatte meine Bücher und war ein ziemlicher Stubenhocker. Aber mein Papa, der mit Hunden groß geworden war wollte irgendwann wieder einen Hund & so holte meine Familie “Nelly” aus dem Tierheim, eine Schäferhund-Mischlingsdame (glaubten wir, sicher wussten wir das glaube ich nie so ganz genau). Das Tierheim teilte meiner Familie nicht mit, dass die Hündin Probleme mit fremden Männern und kleinen Kindern hatte, und so waren alle überrascht als Nelly zur Begrüßung nach der kleinen Bianca schnappte. Zum Glück konnte mein Papa gut mit Hunden umgehen und das war nicht lange ein Problem, wir kamen irgendwann alle gut miteinander aus.Nach viel zu kurzer Zeit musste Nelly wegen eines schlimmen Tumors eingeschläfert werden, danach habe ich eigentlich lange nicht mehr daran gedacht, einen eigenen Hund haben zu wollen. Die letzten 10 Jahre kam der Gedanke aber immer häufiger. In der Familie meines Freundes gibt es viele Hunde, aber “ausleihen” ist einfach nicht dasselbe als wenn der Hund die eigene kleine Familie komplett macht. Wir haben eine große Wohnung, gehen viel wandern und machen mittlerweile fast ausschließlich Urlaub mit dem eigenen Auto in freistehenden Ferienhäusern. Ein Hund hätte bei uns perfekt rein gepasst, wenn der blöde “8-10 Stunden am Tag im Büro”-Job nicht gewesen wäre. Für uns beide stand fest, dass wir niemanden in die Familie aufnehmen, der dann 8 bis 10 Stunden am Tag alleine oder bei jemand anderem bleiben musste. Und mit ins Büro nehmen war leider auch keine Option, auch wenn ich ggerade in den letzten Jahren nicht müde wurde, bei jeder Gelegenheit die Vorteile eines Bürohundes bei unseren Chefs zu erwähnen.
Doch dann fegte Corona durch unsere Büros im öffentlichen Dienst und änderte so einiges: 2022 sah die Situation dann so aus, dass eine feste Home Office Regelung (auch über Corona hinaus) vereinbart wurde, die es uns ermöglichte dass jeden Tag in der Woche mindestens einer von uns im Home Office arbeiten konnte. Während der Corona Jahre wurde ich Teamleitung eines kleinen Teams dass sich ein Büro teilt, und wenn jeder im Team einverstanden sein sollte und das “Gemüt” des Hundes es hergibt, dann dürfte ich einen Hund auch mal mit ins Büro nehmen – “warum eigentlich nicht?” hieß es plötzlich. Es waren ja dank der Home Office Regelung auch viel weniger Leute im Büro, die sich an irgendwas hätten stören können. Eigentlich war das dann plötzlich alles ein bisschen zu leicht, als Angestellte im öffentlichen Dienst ist man das anders gewöhnt.
Aber kann ja auch mal so laufen. “Warum eigentlich auch nicht?”
2. Die große “Tierheim-Story” die keine ist…
Also durfte ich mich endlich ganz konkret umsehen – nicht mehr nur süße Hundwelpen und Tierheimfotos auf Social Media anschauen. Jetzt endlich durfte ich mit dem Hintergedanken schauen, dass wir einem der vielen tollen Hunde wirklich ein neues Zuhause bieten könnten. Anfang des Jahres 2022 hatte ich sogar bereits einen Züchter in der Nähe angeschrieben und stand auf der Warteliste für eine Welpen, der Wurf der dann folgte war aber leider nicht sehr groß und wir gingen leer aus. Glücklicherweise, muss man jetzt im Nachhinein einfach sagen, da war dann doch alles richtig gelaufen – auch wenn das zu dem Zeitpunkt noch niemand ahnen konnte.Den Weg zum Züchter war ich gegangen, weil es in den Tierheimen im Saarland zu der Zeit keinen Hund gab, der auf den ersten Blick zu uns gepasst hätte. Im Hinblick darauf dass “der optimale Hund” auch mal mit ins Büro kommen können muss, für uns Hundeanfänger geeignet sein musste, es bereits mehrere Hunde im näheren familiären Umfeld gibt mit dem der Hund vielleicht auch zurechtkommen muss, wir (noch) in einer Wohnung mit einem kleinen Garten wohnen … und so weiter. Sagen wir mal so, ein Hund der zu uns passt wird normalerweise nicht im Tierheim abgegeben. Den muss man sich so groß ziehen und dann gibt man ihn nicht mehr her. Dachten wir.
Und dann war da aber Tessa. Wir waren eigentlich ins Tierheim gefahren, um einen anderen Hund kennenzulernen. Der klang online harmlos und eventuell für uns geeignet, vor Ort erzählte uns der Tierheimmitarbeiter dann aber davon, dass unser ausgewählter Kandidat sich nicht streicheln lässt wegen einer Verletzung aus einer schlimmen Vergangenheit… der Mitarbeiter meinte direkt, der Hund sei für uns Anfänger eher weniger geeignet.
Aber! Ob er uns jemanden anderen vorstellen darf, fragte er. Klar, waren wir wenigstens nicht ganz umsonst hergefahren. Und dann kam Tessa in den Zwinger gerannt und hätte sich am liebsten durch das Gitter gedrückt um sich von uns Menschen streicheln zu lassen. Ich glaube es ist nicht gelogen wenn ich sage, wir waren beide direkt verliebt in die Hundedame.
Später haben wir gelesen, das ganz schwarze Hunde oft länger in Tierheimen bleiben als ihre etwas “freundlicher” gefärbten Artgenossen. Dazu gibt es sogar Statistiken. Begründet wird es darin, dass ganz schwarze Hunde wohl auf manche Menschen direkt gefährlich wirken, u.a. weil man ihre Gesichtszüge nicht so gut erkennen kann. Finden wir bis heute bei Tessa gar nicht, wir hatten in keiner Sekunde Angst vor der Kleinen. Und auch wenn wir heute fremden Menschen begegnen, finden die sie immer nur ganz kurz etwas gruselig, bis sie mit ihrer großen Schnuffelnase ganz vorsichtig und nur neugierig auf die Leute zugeht.
Tessa war zu dem Zeitpunkt als sie uns vorgestellt wurde erst knapp eine Woche im Tierheim, also noch gar nicht richtig angekommen und nicht online gelistet. Dazu sollte es dann auch nicht kommen, denn schon zwei Wochen später ist sie bei uns in ihr Fürimmer-Zuhause eingezogen.
Die einzigen “Warnungen” aus dem Tierheim waren auch für die ersten Spaziergänge nur die:
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- Achtung Stolperfalle. Weil sie immer guckt ob die Menschen noch da sind und den direkten Kontakt sucht wenn ihr was unheimlich ist, schmiegt sie sich beim Spazierengehen oft wie ein Katze an die Beine, da muss man ein bisschen aufpassen das man nicht über sie stolpert.
- Beim Anziehen vom Geschirr wirft sie sich auf den Boden und meint es wär ein Spiel, da muss man dann ein bisschen kreativ werden bis sie gelernt hat, was man von ihr will.
Lediglich Autofahren war wochenlang ein riesiges Problem. Die Fahrt vom Tierheim zu uns war noch okay, danach bekam sie immer riesige Panik wenn es wieder in Richtung Auto gehen sollte – sie weigerte sich mitzugehen und feilschte um jeden Zentimeter dem sie dem Auto zu nahe kommen sollte. Da half leider eine Zeit lang nicht mal Fleischwurst. Wovor sie da wirklich Angst hatte wissen wir bis heute nicht. Vielleicht wollte sie einfach nicht mehr zurück ins Tierheim.
Später habe ich über Facebook herausgefunden, dass Tessa wohl eines Nachts mitten in einer kleinen Stadt gefunden wurde, bellend und verwirrt einige Zeit lang durch die Stadt geirrt ist, bis sie von der Hundestaffel der Polizei eingesammelt wurde und dann erst zur Polizei und dann nochmal von einem Tierheim zu einem anderen Tierheim gefahren wurde. Da soll man mal keine Angst vorm Auto fahren bekommen.
Aber wo auch immer die Angst herkam, sie war nach den ersten zwei bis vier Autofahrten auf einmal wie weggeblasen – vielleicht nachdem sie gemerkt hat, dass wir nur einen lustigen Spaziergang machen und alle immer wieder zusammen zurück nach Hause fahren.
Von diesen kleinen Hürden abgesehen, die wir also anfangs mit ihr zusammen überwinden mussten, ist Tessa einfach die perfekte Hündin für uns. Sie jammert und bellt nicht, geht neugierig und ruhig auf andere Menschen zu, kann auch mal länger alleine bleiben, ist sehr an uns orientiert, spielt gerne aber kann sich auch gut zurück nehmen. Sie hält vieles aus was wir Anfänger noch nicht so drauf haben. Besser hätte es einfach nicht passen können.
Und so viel Glück kann man eigentlich auch gar nicht haben, zur richtigen Zeit im richtigen Tierheim zu sein und diesen tollen Hund kennenzulernen und mit nach Hause nehmen zu dürfen. Danke Universum (und danke Papa, die hast du bestimmt irgendwie mit ausgesucht und uns im richtigen Moment zusammengebracht).
Vielleicht ist das aber auch “die große Tierheim-Story” die ich erzählen sollte: in den Tierheimen sitzen viele tolle Tiere, die einfach nur eine neue Familie suchen und ganz unkompliziert sein können, wenn der richtige Mensch sie zum richtigen Zeitpunkt mit nach Hause nimmt.
Und so 3-4 Wochen mal mit dem Hund nur die Nachbarschaft erkunden weil Auto fahren doof ist… na da gibt’s echt schlimmeres, was manche mit den selbst großgezogenen Welpen durchmachen. Also traut euch mehr in die Tierheime, euer neues Familienmitglied wird es euch danken.
Ein ganzes halbes Jahr
In 6 Monaten mit Hund lernt man so einiges – z.B. dass das Universum dann doch auch ganz schön gemein sein kann. Im ersten Urlaub mit Hund, ca. 3 Monate nach Tessas Einzug, knicke ich im am Ferienhaus böse um und liege fast 10 Wochen mit einem Bänderriss mehr oder weniger flach – nach 4-6 Wochen kann ich mit Orthese humpeln, aber auf keinen Fall mit einem 25 g Hund Gassi gehen, die noch jedem Eichhörnchen nachlaufen will.Das bedeutete erstmal für mich, dass ich mit meiner Hündin auf die ich so lange gewartet hatte nicht mehr spazieren gehen oder richtig spielen konnte. Ich war selten so am Boden zerstört und einfach nur genervt vom rumliegen – vor einem halben Jahr hätte ich mich noch mega gefreut, als Bücherwurm einfach mal 8 Wochen liegen und nur Bücher lesen zu können, aber jetzt hatte ich ja eigentlich andere Pläne.
Für meinen Freund hieß das dann erstmal vieles alleine stemmen. Tessa wurde schneller zum Bürohund als uns lieb war, da er sie an langen Bürotagen mit auf die Arbeit nehmen musste weil ich mittags nicht mir ihr rausgehen konnte. Beide machten das super, während ich alleine auf der Couch lag und Trübsal geblasen habe. Es war ultra frustrierend nicht zu können wenn man doch so gerne will.
Mittlerweile kann ich aber wieder und wir machen die Welt zu dritt unsicher. Auf dem Weg zum Wanderhund gibt es noch ein paar Baustellen, Eichhörnchen jagen, Leinenführigkeit und andere Hundedamen anzicken stehen ganz oben auf der Liste von Dingen, an denen wir noch arbeiten müssen.
Wenn sich aber der eigene Hund morgens im Bett an dich kuschelt, sich freut wenn du nach Hause kommst, mit dir spielt und schon bei Anbahnung eines Spaziergangs freudig durch die Wohnung springt – ist es das doch irgendwie alles wert.